Donnerstag, 23. Februar 2012

Frühlings-Wiederentdeckung: Eichendorffs Aus dem Leben eines Taugenichts


Ich tendiere dazu, mir meinen Lesestoff in Jahreszeiten einzuteilen. So gibt es Herbstbücher (Der Schimmelreiter), Winterbücher (alles von Astrid Lindgren) oder Sommerbücher (Effi Briest). Für den Frühling wiederum eignet sich Stoff aus der Romantik perfekt. Allerhöchste Zeit, einmal wieder Eichendorffs Taugenichts aus dem Regal zu kramen. Der ist Jahr für Jahr ein Muss, sobald sich die ersten warmen Sonnenstahlen zeigen.


"Das Rad an meines Vaters Mühle brauste und rauschte schon wieder recht lustig, der Schnee tröpfelte emsig vom Dache, die Sperlinge zwitscherten und tummelten sich dazwischen; ich saß auf der Türschwelle und wischte mir den Schlaf aus den Augen; mir war so recht wohl in dem warmen Sonnenscheine." 

So beginnt Eichendorffs Novelle, die in den Jahren 1822/23 fertig gestellt wurde. In ihr wechselt sich die Ich-Erzählung des Taugenichts, der zusammen mit seiner Geige in die Welt aufbricht und dem geordneten Leben in einer Mühle entkommt, ab mit Liedern und Gedichten. Die Erzählung ist voll von romantischer Motivik: Musik, Natur, Kunst, Fernweh in der Heimat, Heimweh in der Ferne und die Liebe zu schönen Mädchen machen das Werk beispielhaft für die literarische Hochromantik. Die einfache, bildhafte Sprache, in der uns der Taugenichts an seiner Reise (über Wien nach, natürlich, Italien und wieder zurück nach Deutschland) und der Suche nach der "Allerschönsten" teilhaben lässt, gibt uns das Gefühl, ihn auf seiner Wanderung zu begleiten. Die Leichtigkeit, fast naive Unbekümmertheit und eine Menge glückliche Fügungen erinnern an ein Märchen. Fast überflüssig zu erwähnen, dass es ein Happy End gibt...

Aus dem Leben eines Taugenichts ist allgemeingültig, nicht nur für das 19. Jahrhundert, sondern auch für die heutige Zeit. Suche nach Individualität, Streben nach Glück, Optimismus und Abgrenzung vom moralischen Bürgertum - Dinge, die in unserer Generation sogar salonfähig geworden sind. Mit seiner Novelle ist Eichendorff ein wahres Kunstwerk gelungen, das für den Leser fast 200 Jahre später noch Wiedererkennungswert besitzt. Auch deswegen kann ich mich nicht daran sattlesen.

Joseph von Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts. Reclam-Verlag. 128 Seiten. 2, 60€ via Amazon. 


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