Ich
tendiere dazu, mir meinen Lesestoff in Jahreszeiten einzuteilen. So
gibt es Herbstbücher (Der Schimmelreiter), Winterbücher (alles von
Astrid Lindgren) oder Sommerbücher (Effi Briest). Für den Frühling
wiederum eignet sich Stoff aus der Romantik perfekt. Allerhöchste
Zeit, einmal wieder Eichendorffs Taugenichts aus dem Regal zu kramen.
Der ist Jahr für Jahr ein Muss, sobald sich die ersten warmen
Sonnenstahlen zeigen.
"Das Rad an meines Vaters Mühle brauste und rauschte
schon wieder recht lustig, der Schnee tröpfelte emsig vom Dache, die
Sperlinge zwitscherten und tummelten sich dazwischen; ich saß auf der
Türschwelle und wischte mir den Schlaf aus den Augen; mir war so recht wohl in dem warmen Sonnenscheine."
So
beginnt Eichendorffs Novelle, die in den Jahren 1822/23 fertig gestellt
wurde. In ihr wechselt sich die Ich-Erzählung des Taugenichts, der
zusammen mit seiner Geige in die Welt aufbricht und dem geordneten Leben
in einer Mühle entkommt, ab mit Liedern und Gedichten. Die Erzählung
ist voll von romantischer Motivik: Musik, Natur, Kunst, Fernweh in der
Heimat, Heimweh in der Ferne und die Liebe zu schönen Mädchen machen das
Werk beispielhaft für die literarische Hochromantik. Die
einfache, bildhafte Sprache, in der uns der Taugenichts an seiner Reise
(über Wien nach, natürlich, Italien und wieder zurück nach Deutschland)
und der Suche nach der "Allerschönsten" teilhaben lässt, gibt uns das
Gefühl, ihn auf seiner Wanderung zu begleiten. Die Leichtigkeit, fast
naive Unbekümmertheit und eine Menge glückliche Fügungen erinnern an ein
Märchen. Fast überflüssig zu erwähnen, dass es ein Happy End gibt...
Aus
dem Leben eines Taugenichts ist allgemeingültig, nicht nur für das 19.
Jahrhundert, sondern auch für die heutige Zeit. Suche nach
Individualität, Streben nach Glück, Optimismus und Abgrenzung vom
moralischen Bürgertum - Dinge, die in unserer Generation sogar
salonfähig geworden sind. Mit seiner Novelle ist Eichendorff ein wahres
Kunstwerk gelungen, das für den Leser fast 200 Jahre später noch
Wiedererkennungswert besitzt. Auch deswegen kann ich mich nicht daran
sattlesen.
Joseph von Eichendorff: Aus dem Leben eines Taugenichts. Reclam-Verlag. 128 Seiten. 2, 60€ via Amazon.
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